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Die Kunstzeitschrift berichtet im Heft 147/2022 über die aktuellen Ausstellungen von Wolfgang Nickel

Wolfgang Nickel: Der beständige und zeitlose Zauber einer Kunst aus Glas

Ausstellungen im Literaturmuseum Baumbachhaus in Meiningen, bis zum 28. Oktober 2022, sowie im Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden bis zum 31. Dezember 2022

Es ist eine Art historisch anmutende Initialzündung eines aktuellen Werkgeschehens, das durch kreative, handwerkliche Fügungen heraus entstand. Einerseits ist sie begründet durch einen frühen Grafikzyklus des Künstlers Wolfgang Nickel, den dieser aufgrund einer Die Lebendigkeit des spielerischen Ausdrucks, inszeniert durch die gläserne Materialoberfläche, betont die Aussagekraft dieser Arbeiten.

Auseinandersetzung mit literarischen Texten des Märchen- und Sagensammlers Ludwig Bechsteins vor einigen Jahren in bildende Kunst übersetzt hatte - und die jedoch über die bloße Illustration einer rein figürlichen Erzählung hinausgehen und auch hier speziell den grafischen Oberflächen seiner Arbeiten Aussagekraft verleihen sollte. Am Ausstellungsort in Meiningen zeigt Nickel nun auch die entsprechenden Erzählungen und trägt damit der Erinnerung an den lange in Meiningen ansässigen Ludwig Bechstein Rechnung. Vor diesem Hintergrund betrachtet, hat - in einem Zeitraum von nunmehr mehr als dreißig Jahren - der Künstler Wolfgang Nickel seine experimentelle Arbeit mit dem Werkstoff Glas stets weiter intensiviert, am eigenen Brennofen vorangetrieben und stets perfektioniert.

Nickel, von Hause aus Maler und Grafiker, ist mittlerweile seit über dreißig Jahren zudem in der Glaskunst aktiv, setzt entsprechende Inhalte in seinen Glasbildern um und genießt in diesem Fach längst internationales Renommee. Stoffliche und Inhaltsebenen konnten daher auch für die Themen der aktuellen Ausstellungsgeschehnisse gezielt miteinander verwoben werden. So geht es in der aktuellen Ausstellung im Literaturmuseum Baumbachhaus in Meiningen derzeit um das Thema Märchen, das unter dem Titel „Der gläserne Pantoffel“ Kernmotive aus den Zaubermärchen der Gebrüder Grimm von Nickel ins gläserne Bild gesetzt wird. Der besondere Reiz solcher Arbeiten ergibt sich durch die bevorzugte Technik des Künstlers, dem Glasfusing. Hierbei sind auf einem zuvor

zum Relief strukturierten Flachglas durch mehrfache Bemalung und diverse Brennvorgänge komplexe Bildaussagen aus durchscheinenden und einander überlagernden Motiven entstanden, was das aktuell in der Austellung gezeigte Werk „Rotkäppchen“ beispielhaft zeigt. Der Abstand der Glasarbeit zum Rahmenhintergrund verleiht dem entsprechende Werk zudem auch als Wandbild eine aussagestarke Geltung. Auf eindrucksvolle Art und Weise ist das beliebte Motiv aller Zaubermärchen, die Verwandlung, hier eindrücklich dargestellt, etwa dergestalt, wenn wir beim Betrachten eines einzigen Bildes zusehen können, wie Rotkäppchen leibhaftig in die Haut des Wolfes schlüpft. In seinen Arbeiten stellt der Künstler die Protagonisten figürlich entzückend dar und beschreibt die märchenhafte Symbolik der Geschichten prägnant, wobei auch das Schillern von Überlagerungen eine meisterhafte Wirkung entfaltet. Für Meiningen hat Nickel auch dementsprechend diverse Bechstein-Märchen umgesetzt, zum Beispiel auch die Verwandlungen etwa der „Goldmaria und Pechmaria“, eine regionale thüringer Variante der hessischen Frau Holle.


In der 'Galerie in der Praxis' begegnen den Betrachtern die Arbeiten Wolfgang Nickels auch anlässlich der dort ab dem 22. April eröffneten Ausstellung, die den Veranstaltungstitel „Durch-Sicht“ trägt. Hervorzuheben ist insbesondere sein dort aktuell zu betrachtendes Glasobjekt „Kugelschale des Lichts“. Eine Poesie in Glas umschreibt diese, dem Werk innewohnende farblich Wärme am naheliegendsten. Es ist ein poetisch anmutendes Glasobjekt, das sich von einem aufsteigenden, partikular anmutenden Luftstrom vom Urgrund aus in einer sandfarbenen, sanften und zurückgenommenen Wesensart darstellt. Der bräunlich-gelbe Hintergrund ist nicht nur Spender des sonnenartig wärmenden Lichts, sondern auch atmosphärischer Träger der dezenten Dominanz der rötlich-kugelrunden Schale, wobei es den wärmenden Strahlen - nicht zuletzt durch die hier eingesetzte Technik - obliegt, ein Durchleuchten des Grundes im Boden des angedachten Behältnisses zu bewirken. Der Betonung des Schalenkörpers, seinem Wesen und seiner Funktion ist damit Rechnung getragen. Das Werk „Wasserklangbild“, das in der aktuellen Ausstellung in der Foyergalerie bei 'Sandvik Tooling' in Schmalkalden sich dem Publikum zur Betrachtung darstellt, ist als Teil einer Serie entstanden. Durch eine Vielzahl an Details, welche individuell abstrakt für sich jeweils die Zahl acht zu formulieren scheinen, ergibt sich in der Gesamtheit ein noppenförmig inszeniertes, federleichtes Geflecht, das im Hintergrund einer flächig roten, lebensbejahenden Farbe die Bildfäche füllt. Hierauf erblickt man das schwarze Rund filigran ausformulierter Kreise, die bisweilen miteinander durch strichförmige Skizzierungen partiell interaktiv korrespondieren. Sie reduzieren, zum ornamentartig anmutenden Zentrum des Bildes hin, ihre jeweiligen Durchmesser, was in der Darstellung die Schönheit und Einzigartigkeit einer siegelartig verbrieften Botschaft dokumentiert und sich als eine in sich geschlossene Formation mitteilt.

Wolfgang Nickel realisiert von jeher ganz individuelle, höchst sensible künstlerische Lösungen. Seine Leistungsbereiche, die er mit seiner Glaskunst abdeckt, sind äußerst vielfältig: Es zählen dazu die baubezogene Kunst, Glasgestaltung, Bleiverglasung, Sandstrahlung, Glasätzung, Glasobjekte, Malerei, Grafik, Buchillustrationen und die Farbgestaltung. Seine Arbeiten faszinieren durch den ihnen eigenen Stil, seine Werke strahlen durchweg eine sehr zurückhaltende und intime Spiritualität aus. Selbst Objekte für den Bereich Kunst am Bau vermitteln, trotz ihrer

Öffentlichkeit, eine private Atmosphäre - ein besonderes Kennzeichnen dieses Künstlers. Ohne eine gediegene Kenntnis und Anwendung der vielfältigen Techniken ist in der Glaskunst künstlerisch nichts wirklich gestaltbar. Wolfgang Nickels aus Glas geformten künstlerischen Werken aus Stofflichkeit und Materialverbindungen wohnt geradezu eine meditativ

anmutende Botschaft inne.
ac

Ein Bericht aus: ARTPROFIL - Kunstmagazin, Heft 147/2022, © Syntax. Projektfabrik GmbH, 68219 Mannheim, Deutschland, www.artprofil-kunstmagazin.com, E-Mail: redaktion@artprofil-kunstmagazin.com


 

Wolfgang Nickel; Rotkäppchen
Technik: Glasfusing / Glasverschmelzung, 42 cm x 42 cm, Aluminiumrahmen

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2020, Ausstellung: Wiedergeburt der Renaissance